Manche Länder erfordern mehr Kulturelle Intelligenz als andere. Als Faustregel kann man sich merken, dass es für Länder, in denen der Tagesablauf sich deutlich von dem eigenen bekannten Alltag unterscheidet, mehr Kultureller Intelligenz bedarf als für solche, in denen der Tag recht ähnlich gestaltet und strukturiert ist. Da kommt es auch nicht auf die tatsächliche Entfernung zwischen Ländern an. Sydney z. B. ist sehr weit weg von Deutschland, unserem Alltag und unserer Kultur allerdings gar nicht so unähnlich wie vielleicht Bosnien-Herzegowina. Bosnien-Herzegowina ist eher religiös geprägt, hier stehen ganz andere Dinge im Fokus als bei uns. Diese Unterschiede zeigen sich natürlich auch, wenn man mit Menschen aus dieser Kultur in Kontakt kommt. Nicht vergessen darf man allerdings, dass es auch im Umgang mit Menschen aus Ländern oder Kulturen, die uns sehr ähnlich sind, eines gewissen Grades an kultureller Intelligenz und Aufmerksamkeit bedarf. Das zeigt sich schon alleine in sprachlichen Unterschieden zwischen Österreich und Deutschland. Manch einer mag bei seinem ersten Kontakt mit einem Österreicher einen Moment ge­ braucht haben, bis er verstanden hat, was „Schlagobers“ und „Kren“ eigentlich bedeuten. Fakt ist dennoch, dass für einen konstruktiven Umgang mit Kulturen, die sich stärker von der eigenen unterscheiden, mehr Training und mehr Vorbereitung hilfreich sind.

  1. Sollten Sie doch einmal in eine Situation kommen, in der Sie sich selbst nicht mit der betreffen­ den Kultur auskennen, so nehmen Sie die Rolle eines „teilnehmenden bzw. aufmerksamen Beob- achters“ ein. Treten Sie zurück, seien Sie aufmerksam und empathisch anderen gegenüber – und nehmen Sie sich deren Verhalten als Vorbild. Spiegeln Sie also das Verhalten Ihres Gegenübers. Fragen Sie gegebenenfalls auch nach, welches Verhalten angemessen ist, wenn Sie unsicher sind. Stellen Sie sich das Ganze vor wie den ersten Besuch bei einem Ball: Auch hier würden Sie vermut­ lich erstmal beobachten, wie die anderen sich verhalten, was sie sagen, was sie tun und sich daran orientieren, um nicht aufzufallen und angemessen und richtig zu handeln.
  2. Kommt es doch einmal zu einer unangenehmen Situation oder einer Meinungsverschiedenheit, die nicht Ihrem Verhalten, sondern dem Verhalten Ihres Gegenübers geschuldet ist, empfiehlt es sich, das Ganze nicht sofort als Fehlverhalten, Respektlosigkeit oder schlechtes Benehmen abzustempeln. Häufig handelt es sich nämlich nur um ein Missverständnis, das durch kulturelle Unterschiedeentsteht. Stellen wir uns vor, Sie verabreden sich mit einer Spanierin um 15 Uhr – doch sie kommt einfach nicht. Sie warten und warten und erst um 16 Uhr taucht Ihre Verabredung auf, ohne sich zu entschuldigen oder das „Fehlverhalten“ irgendwie zu thematisieren. Nun: Wenn man mit Spaniern zu tun hat, dann sollte man die deutsche Tugend der Pünktlichkeit am besten nicht als allgemein- gültigen Maßstab anlegen. Denn zu spät kommen ist in Spanien keinesfalls unhöflich. Wichtig ist deshalb, gewisse Verhaltensweisen nicht sofort einer Person vorzuwerfen, sondern zu berücksich- tigen, dass bestimmte Gewohnheiten vielmehr ihrer Kultur geschuldet sein können. Dennoch: Wenn Sie sich von ihrem Gegenüber persönlich angegriffen und verletzt fühlen – und es vielleicht Ihre kulturellen Gepflogenheiten ignoriert hat oder sein Verhalten sich nicht mittels seiner Kultur er­ klären lässt – so haben Sie durchaus das Recht, das Ihrem Gegenüber zu kommunizieren. Erklären Sie ihm, warum es Sie irritiert oder gar verletzt hat, und lassen Sie auch Ihr Gegenüber seine Sicht­ weise erklären – mit Sicherheit finden Sie gemeinsam eine Lösung.
  3. Zeigen Sie Menschen, die anderen Kulturen angehören, dass Sie Interesse an ihnen und ihrer Kultur haben – und dass Sie sie, unabhängig von unterschiedlichen Sichtweisen, Werten oder Einstellungen, wertschätzen. Seien Sie sensibel und geben Sie Ihrem Gegenüber das Gefühl, dass es selbst und seine Bedürfnisse wichtig sind. Das bedeutet nicht zwingend, dass Sie die ganze Geschichte seines Heimatlandes kennen müssen, sondern vielmehr, dass Sie an ihm, seinem Wohlergehen und seiner persönlichen Geschichte im Kontext seiner Kultur interessiert sind. Dieses Interesse können Sie z. B. zeigen, indem Sie den Kalender von internationalen Kollegen oder Kundschaft checken und ihnen keine Terminvorschläge machen, die auf deren bedeutendste Feiertage fallen. Schließlich wäre esauch für Sie unangenehm, wenn jemand Ihnen einen Termin am 24. oder 25. Dezember einstellen würde.

Der Text entstammt unserem ePaper der KniggeAkademie und entstand unter fachkundiger Mitarbeit von Laura Piana und Philipp Starz.

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