Ein Appell an den gesunden Menschenverstand!

Ein Beitrag von Maximilian Stickroth, Chiara Meidinger und Clemens Graf von Hoyos
20. März 2020, 11:15

Zwischen Knigge und Corona

Ein Charaktertest für unsere Gesellschaft

Selbstbeschränkung? Selbstbeherrschung? Teilweise Fehlanzeige! Es scheint, als habe man mit dieser Krankheit den Zenit der Zivilisation endgültig überschritten. Die Pandemie entpuppt sich somit nicht nur als Stresstest, sondern vor allem auch als Charaktertest.

Als Synonym zivilisierten und anständigen Verhaltens gilt auch heute noch Adolph Freiherr Knigge. Auch über 200 Jahre nach der Veröffentlichung seines Werks “Über den Umgang mit Menschen” sind seine darin getroffenen Aussagen allgemeingültig und aktueller denn je.

In erster Linie ging es dem Aufklärer entgegen landläufiger Meinung nicht um dogmatischen Formalismus, sondern um ein gutes Miteinander.

Die Quintessenz des kleinen Ratgebers ist im Grunde genommen ein Appell für anlass- und adressatengerechtes Verhalten vor dem Hintergrund der Wertschätzung und Rücksichtnahme.

Doch die Flut an Negativschlagzeilen rund um die COVID-19-Pandemie reißt nicht ab. Nebst immer drastischeren und notwendigen Maßnahmen von Bund und Ländern zur Senkung der Zahl an Neuinfektionen mischen sich jetzt in das gesamte Geschehen auch noch Nachrichten über Corona-Partys, übervölkerte Parks in Berlin und vorsintflutliches Verhalten im Streit um die letzten Hygieneartikel an den Supermarktregalen.

Selbst im engeren Bekanntenkreis beobachtet man Anwandlungen, die einen am gesunden Menschenverstand zweifeln lassen. So hat niemand einem der drei Autoren helfen wollen, einen zwölfjährigen Jungen zu versorgen, der in einem an einen Kriegsschauplatz erinnernden Supermarkt einen Kreislaufkollaps erlitten hat. Begründung der Umstehenden:  Der Junge könnte potentiell am Coronavirus erkrankt sein. Oder der 76 Jahre alte Herr, der am Sonntagabend “nur” ein Konzert besuchen wollte, ohne daran zu denken, dass er nicht nur sich selbst, sondern auch seine Lebensgefährtin dadurch gefährdet.

Speziell in der gegenwärtigen Krise sollte man sich auf die Ideale des Freiherrn Knigge besinnen und ein Vorbild in Sachen Solidarität, Umsicht und Dankbarkeit sein.

Denn kaum eine Situation seit dem zweiten Weltkrieg hat unsere Gesellschaft in solch eine Unruhe und allgemeine Verängstigung versetzt wie das Coronavirus.

Nun liegt es an jedem Einzelnen zu beweisen, was eine solidarische Gesellschaft im Innersten zusammenhält. Es ist die Einsicht, auch Einschnitte in der persönlichen Freiheit, jedenfalls für einen gewissen Zeitraum, hinzunehmen und zu respektieren. In solchen Zeiten bedeutet das vor allem, dass wir zum Wohle unserer Mitmenschen, mit Umsicht und Rücksicht handeln.

Dass wir uns nicht selbst der Nächste sind, sondern im Interesse aller Menschen handeln. Es liegt in unserer Verantwortung, dass diejenigen, welche als besonders gefährdet gelten, keiner vermeidbaren Gefahr ausgesetzt werden. Wir sollten uns in Erinnerung rufen, dass wir nur so stark sind wie die Schwächsten in unserer Mitte. Wir alle können in diesen Tagen unseren Teil leisten, nein, wir müssen unseren Teil leisten!

Wir alle haben die Bilder aus Italien und China gesehen. Wir konnten fast live miterleben, welche dramatischen Ausmaße diese Corona-Krise entfaltet hat. Und trotz der gegenwärtigen Gefahr scheint es für viele nicht real zu sein. Leichtfertiger Kontakt mit Fremden, ein Feierabendbier in einer Bar oder noch die letzte Party in einem Club führen nahezu unweigerlich zu neuen Infektionen.

Und deshalb sollte unsere Solidarität in diesen Tagen auch den bereits Infizierten gelten. Denn Mitgefühl mit Erkrankten und ihren Angehörigen spielt in Zeiten der Krise eine essentielle Rolle. Es ist Ausdruck für ein soziales Miteinander.

So sagte schon Adolph Freiherr Knigge in dem Kapitel “Über die Art Kranke zu behandeln”:

Es gibt Krankheiten, in welchen Aufmunterung des Gemüts, Zerstreuung und angenehme Unterhaltung sehr viel zur Genesung beitragen, und hingegen andre, bei denen Ruhe und stille Wartung das einzige sind, wodurch man dem Leidenden Linderung verschaffen kann.”

– Adolph Freiherr Knigge

Grüßen in der Krise: Hände waschen statt Hände schütteln

In den letzten Tagen ist es kaum möglich gewesen, sich den wichtigsten Grundregeln des umsichtigen Handelns zu entziehen.

Denn auch der geringste Aufwand unsererseits kann für andere das Leben bedeuten. Ob es das regelmäßige Händewaschen oder das Niesen in die Armbeuge sind, hier tragen wir alle Verantwortung. Die richtige Nies- und Händewasch-Etikette kann im Zweifel Leben retten.

Die Menschen im Gesundheitswesen sind mit jeder neuen Infektion einer weiteren Belastung ausgesetzt. Wir müssen gemeinsam dafür sorgen, die Plätze in medizinischen Einrichtungen für jene zur Verfügung zu lassen, deren Gesundheit am seidenen Faden hängt. Häufig lassen sich über sogenannte Coronavirus-Hotlines Informationen zu auftretenden Symptomen erfragen. Die Krankenhäuser werden stark entlastet, wenn jeder zuerst diese Hotlines bemüht und nicht gleich ins Krankenhaus rennt.

Damit das gar nicht erst nötig wird, kann jeder Einzelne vorsorgen. Bitte wahren Sie Distanz zu Ihren Mitmenschen, um die Verbreitung des Virus einzudämmen. Reduzieren Sie Ihren Aufenthalt an Orten mit großen Menschenmassen. Denken Sie immer daran, dass dieser Virus für manche Menschen lebensgefährlich ist. Hier kann die kleinste Rücksichtnahme Menschenleben retten.

Einkauf-Etikette: Solidarität statt Hamstern

Doch nicht nur im Rahmen der hygienischen Vorsichtsmaßnahmen können wir uns gegenseitig schützen und unterstützen. In den letzten Tagen waren Bilder von leergeräumten Ladenregalen allgegenwärtig. Es ist vollkommen nachvollziehbar, dass man sich selbst versorgen und auch vorsorgen möchte. Lassen Sie uns aber nicht vergessen, dass wir Menschen in unserer Mitte haben, die diese Möglichkeit nicht besitzen. Menschen, die über keine Transportmöglichkeiten für “Hamsterkäufe” verfügen, oder aufgrund körperlicher Beeinträchtigungen nicht dazu in der Lage sind.

„Wo der bescheidene Arme im Verborgenen seufzt, es nicht wagt, sich herbeizudrängen und um Hilfe zu bitten, (…) dahin dringe dein Blick!“

– Adolph Freiherr Knigge

Auch diese Menschen sind auf die grundlegenden Konsumgüter wie Hygieneartikel und Nahrungsmittel angewiesen. Zeigen Sie auch hier Rücksicht und überlegen Sie, ob die haushaltsunübliche Masse an Hygieneartikeln und Nahrung wirklich nötig ist.

Und besonders wichtig: Bewahren Sie Ruhe! Keine Krise wird durch Streit um Hygieneartikel gelöst, im Gegenteil. Die fleißigen Mitarbeiter in den verschiedenen Supermärkten und Drogerien leisten trotz des allgegenwärtigen Risikos ihre Arbeit. Erleichtern Sie ihnen diese durch anständiges Verhalten, durch Disziplin beim Einkauf und durch den einen oder anderen Dank für ihren Dienst.

“Die Dankbarkeit ist ein Gefühl, welches das Herz veredelt und bessert, wohltätig für den, der empfängt, wie für den, welcher gibt.”

– Adolph Freiherr Knigge

Zwischen Kunden und Kindern: Tipps für das Home Office

Mit dem Virus und den daraus resultierenden (Gegen-) Maßnahmen ergeben sich eine Vielzahl von Problemen ungeahnten Ausmaßes. Auf einige davon reagiert die Politik bereits und stellt beispielsweise Betrieben mit Liquiditätsengpässen weitreichende finanzielle Unterstützung in Aussicht. Ebenso werden weitere notwendige Schritte eingeleitet, um das ohnehin schon häufig an der Grenze der Belastbarkeit arbeitende Personal in Krankenhäusern zu entlasten.

Doch auch in den eigenen vier Wänden – im Home Office, bei der Betreuung unserer Kinder oder in der selbst verordneten oder gar erzwungenen Quarantäne – werden wir vor immer neue Herausforderungen gestellt.

Wir müssen uns auch der Herausforderungen bewusstwerden, die in diesen Zeiten beruflich auf uns zukommen und uns überlegen, wie wir unsere Arbeitsweisen neu strukturieren und uns mit den Gegebenheiten arrangieren.

Für viele wird das Home Office, jedenfalls für einige Zeit, zur neuen Arbeitsstätte. Deswegen möchten wir Ihnen ein paar Tipps an die Hand geben, wie Sie die neue Arbeitssituation gut strukturiert und mit bestmöglichem Erfolg organisieren.

Natürlich spielt in dieser Zeit Zuverlässigkeit und Erreichbarkeit eine große Rolle, vermittelt sie Ihrem Kunden ein Gefühl von Sicherheit und Beständigkeit. Wir alle haben Sorge, ob Leistungen, die wir gebucht haben oder erbringen müssen, auch weiterhin geregelt erfüllt werden können.

Hier bietet sich an, dass Ihre Kunden mit einer freundlichen Information per E-Mail transparent auf die aktuelle Lage und mögliche Konsequenzen hingewiesen werden.

Teilen Sie mit, dass die Arbeit hauptsächlich im Home Office verrichtet wird, Sie jedoch, im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten, keine Abstriche bei der Qualität Ihrer Arbeit zulassen werden.

Bieten Sie Ihren Kunden, wo möglich und sinnvoll, Informationsgespräche über die aktuelle Lage an. Dies kann per Telefon oder auch per Videokonferenz geschehen.

Haben Sie Verständnis dafür, dass die Kunden ein vermehrtes Bedürfnis nach Information haben.

Des Weiteren empfehlen wir Ihnen, dass Sie den Arbeitsalltag so normal wie möglich gestalten. Gehen Sie gewissenhaft Ihren Aufgaben nach, denn man verlässt sich auf Sie.

Doch was tun, wenn die Kinder nach noch mehr Aufmerksamkeit verlangen, kurz vor einem Lagerkoller stehen und man sie sinnvollerweise besser nicht bei den Großeltern abgeben sollte? Schließlich sind Xbox und die ständige Beschäftigung mit dem Smartphone auf Dauer nur bedingt pädagogisch wertvoll.

Das Wichtigste sind eine klare Struktur im Alltag, die Halt gibt, und besondere Ereignisse am Wochenende, auf die sich Ihre Kinder freuen können.

Um den Tag sinnvoll zu gestalten, sollten vormittags vor allem die Lernangebote der Schulen wahrgenommen werden. Denn auch wenn die heimischen vier Wände zum Faulenzen verleiten, wird der Tag dadurch nicht kürzer oder spannender. Der Nachmittag bietet die Gelegenheit, statt der geliebten Konsole eines der in Vergessenheit geratenen Brettspiele auszuprobieren. Binden Sie zudem Ihre Kinder in alltägliche Haushaltsarbeiten mit ein, denn Töpfe spülen sich genauso wenig von allein wie sich das Essen kocht.

Im Grunde ist alles recht, was einen geregelten und abwechslungsreichen Tagesablauf fördert. Ziel ist es, weg von der Krise, hin zu einer sich weitestgehend im häuslichen Rahmen abspielenden Normalität zu kommen.

“Sei dir ein angenehmer Gesellschafter. Mache Dir keine Langeweile, daß heißt, sei nie ganz müßig.”

– Adolph Freiherr Knigge

 

Respekt und Abstand: Reflexion und Anwendung

Und für uns Erwachsene gilt: Sorgen wir auch bei uns für Abwechslung. Sehen wir die Situation als Chance, wieder mal ein Buch zu lesen, gute Musik zu hören und das rege Treiben des Alltags in weiter Ferne zu lassen. Nehmen wir die Umstände an und machen das Beste daraus.

Sollten Sie doch mit der Situation konfrontiert sein, dass ihnen jemand die Hand entgegenstreckt, dann dürfen Sie den Handschlag gerne mit einem freundlichen Verweis auf die momentane Lage verwehren. Auch das ist umsichtiges Verhalten!

Und selbstredend sollten Sie, sobald ein Arzt Sie untersucht hat, dringend seinen Anweisungen Folge leisten. Dies ist keine Zeit für engstirnigen Egoismus und Non-Compliance.

“Fordert die Not, daß du dich an einen Doktor wendest, so (…) verschweige auch nicht den kleinsten Umstand, der dazu dienen mag, ihn mit dem Zustand und mit dem Sitz deines Übels vertraut zu machen. Folge streng und pünktlich seinen Vorschriften. Den Mann, der alles anwendet, was in seinen Kräften steht, deine Gesundheit herzustellen, belohne nicht sparsam. Gib ihm reichlich nach deinem Vermögen.”

– Adolph Freiherr Knigge

Liebe Leserinnen und Leser, letztendlich bleibt uns nicht mehr übrig, als Ihnen Besonnenheit und Gesundheit zu wünschen. Wir hoffen, dass Sie den ein oder anderen Ratschlag beherzigen und sich den Ernst der Lage vor Augen führen. Wir möchten aber auch zum Ausdruck bringen, dass wir diese Situation gemeinsam bestens bewältigen werden und als Gesellschaft gestärkt und noch bewusster in die Zukunft gehen!

„Alles in der Welt geht vorüber; alles läßt sich überwinden durch Standhaftigkeit; alles läßt sich vergessen, wenn man seine Aufmerksamkeit auf einen anderen Gegenstand heftet“

– Adolph Freiherr Knigge

Alles wird gut!

mit diesen Worten beendete auch Adolph Freiherr Knigge schon immer seine Briefe.

Wir hoffen das Beste!

Mit den besten Wünschen der Deutschen-Knigge-Gesellschaft

 

Maximilian Stickroth, Chiara Meidinger und Clemens Graf von Hoyos

 

Bildquelle Beitragsbild: All kind of people/Shutterstock.com