Knigge hat ausdrücklich nicht über Regeln der Etikette schreiben wollen.

In seinem Buch „Über den Umgang mit Menschen“ heißt es:

„Alles was eine feine Erziehung, was Aufmerksamkeit auf sich selbst und andere verrät, das gehört notwendig dazu, den Umgang angenehm zu machen, und es ist wichtig, sich in solchen Dingen nichts nachzusehen. Hierüber in diesen Blättern viel mehr zu sagen: […] dazu ist hier nicht der Ort.“

Und doch gibt es sie – schwarz auf weiß in seinem vielzitierten und häufig leider missverstandenem Buch:

Diese Knigge-Regeln (eigentlich eher Etikette-Regeln) guten Benehmens nach heutigem, landläufigem Verständnis – es sind 13 – sind im Wortlaut folgende:

  1. man so wenig als möglich in einer Gesellschaft den Leuten den Rücken zukehren, in Titeln und Namen nicht irre werden solle;
  2. man den Vornehmern immer auf der rechten Seite oder, wenn drei beisammen sind, in der Mitte gehen lasse;
  3. man dem, mit welchem man gerade spricht, frei und offen, doch nicht starr und frech in das Gesicht schauen und nicht allerorten das große Wort haben solle;
  4. man den Leuten nicht in die Rede fallen dürfe;
  5. wenn man ein Frauenzimmer führt, um sich nicht zu stoßen, mit ihr gleichen Schritt halten und mit demselben Fuße wie sie antreten, ihr auch zuweilen seine linke Hand reichen müsse, wenn sie an der rechten Seite nicht so bequem gehen würde;
  6. man auf steilen Treppen im Hinuntersteifen die Frauenzimmer vorausgehen, im Hinaufsteigen aber sie folgen lassen müsse [Achtung: heute gilt, dass sowohl beim Auf- wie Absteigen der Treppe der Herr unterhalb der Dame läuft]
  7. vornehme Leute, wenn sie nicht über Vorurteile hinaus sind, es übelnehmen, wenn ein Geringerer von sich und ihnen in Gemeinschaft spricht (z.B. „Wir haben gewonnen im gestrigen Spiele und unsre Gegner verloren“), sondern dass sie verlangen, man solle tun, als seien sie alleine in der Welt des Nennens wert: „Ihro Exzellenz, Ihro Gnaden haben gewonnen“ (höchsten möchte man hinzusetzen „mit mir“);
  8. man bei Tische den abgeleckten Löffel, womit man gegessen nicht wieder vor sich hinlegen solle;
  9. wir einen Teller, oder was uns dargereicht wird, auch dann abnehmen müssen, wenn wir nichts davon behalten wollen;
  10. es anständig sei, wenn jemand im Vorbeigehen grüßen will, den Hut auf der Seite abzuziehen, wo der Fremde nicht gehe, damit man ihn nicht damit berühre und sein Gesicht nicht vor ihm verberge;
  11. man, wenn jemand etwas darreicht, es, insofern dies zu ändern steht, nicht mit der bloßen Hand hingeben müsse;
  12. es sich nicht schicke, in Gesellschaften in das Ohr zu flüstern, bei Tafel krumm zu sitzen, unanständige Gebärden zu machen;
  13. es unartig sei, in Gesellschaft jemandem einen unschuldigen Spaß zu verderben, z.B. wenn er Kartenkünste zeigt und wir wissen, wie das Stück gemacht wird

Vereinzelt finden sich noch ähnliche Handreichung, die Adolph Freiherr Knigge jedoch eher als eine sichtbar gewordene, äußere Form einer inneren Geisteshaltung betrachtet.